Von Mikroplastik hat sicher jeder schon einmal gehört. Es stellt eine große Umweltbelastung dar und kann inzwischen auch an den entlegensten Orten der Erde in nicht unerheblichen Mengen gefunden werden.
Der Zivilisationsabfall, der auf der Erde eine deutliche Spur der Menschheit hinterlässt ist mit ein Grund dafür, dass das derzeitige Erdzeitalter Anthropozän genannt werden soll. Es ist das Zeitalter, in dem der Mensch die Umwelt am stärksten beeinflusst, und das leider nicht zum Guten.
Als Mikroplastik werden solche Kunststoffteilchen bezeichnet, die von fester Struktur und kleiner als 5 Millimeter sind. Diese Definition stammt ursprünglich von der National Oceanic and Atmospheric Administration. Inzwischen wurde sie weitestgehend übernommen, wobei immer wieder bemängelt wird, dass Flüssigkunststoffe mit diesem Sammelbegriff nicht erfasst werden.
Ein Teil des Mikroplastiks gerät „unbeabsichtigt“ als Abfallprodukt in die Umwelt. Es handelt sich hierbei um Zerfallsprodukte von Kunststoffmüll oder auch Reifenabrieb, der laut einer Studie der IUCN (International Union for Conservation of Nature) aus dem Jahr 2017 allein etwa 28% des gesamten Mikroplastiks ausmacht. Zum anderen wird Mikroplastik aber auch ganz gezielt produziert, um es als Rohstoff für unterschiedliche Produkte zu verwenden. Die Endsorgung in die Umwelt, die vor allen Dingen bei kosmetischen Produkten oftmals direkt nach der kurzen Anwendung erfolgt, wird dabei scheinbar billigend in Kauf genommen.
Ein typisches Produkt für die Anwendung von Mikroplastik ist Zahnpasta. Was genau es dort macht, wie Sie es erkennen und welche alternativen es gibt, soll im Folgenden erklärt werden.
In Zahnpasta wird Mikroplastik in Form von sogenannten Microbeads aus Polyethylen (PE) verwendet. Dabei handelt es sich um kleine Kunststoffkügelchen, die die Reibefläche beim Zähneputzen stark vergrößern und so für eine gründliche Reinigung sorgen. Gleichzeitig sind die Microbeads nicht zu hart und führen so zu keiner unnötigen Schädigung des Zahnschmelzes. Das beigefügte Mikroplastik hilft somit effizient dabei Plaque, also Zahnbelag, zu entfernen. Dadurch wirkt es auch vorbeugend gegen Gingivitis, eine Entzündung des Zahnfleisches, die auf bakteriellen Plaque zurückzuführen ist.
Auch flüssige Kunststoffe können in Zahnpasta enthalten sein. Polyethylenglykole (PEG) werden in einigen Zahncremes beigefügt, um das Zahnfleisch durchlässiger zu machen. Dadurch können andere pflegende Inhaltsstoffe besser ins Gewebe eindringen, um dort ihre positive Wirkung entfalten zu können. Ob es sich bei Flüssigkunststoffen auch um Mikroplastik handelt ist allerdings umstritten. Greenpeace argumentiert dafür, da es sich um eine biologisch nicht abbaubare künstliche Substanz handelt.
Dem Zahn selbst schaden die Microbeads nicht. Sie sind so konzipiert, dass sie einen idealen Härtegrad zur Zahnreinigung aufweisen. Das verspricht einen maximalen Reinigungseffekt bei gleichzeitiger Schonung des Zahnschmelzes.
Flüssigkunststoffe sorgen (wie oben erläutert) dafür, dass andere Substanzen aus dem Zahnpflegeprodukt besser aufgenommen werden können. Dieser Effekt ist aber sehr unspezifisch. So können ebenso schädliche Stoffe aufgenommen werden, wenn sie sich gerade ebenfalls vor Ort befinden, z.B. durch eine lokale Entzündung. Ökotest stufte daher in einem groß angelegten Zahnpastatest 2019 die Bewertung für diverse Zahncremes um zwei Noten nach unten, wenn sie PEG enthielten.
Bei Zahnpasta ist des Weiteren stets die Gefahr gegeben, dass das Produkt verschluckt wird. Welche medizinischen Folgen die Aufnahme von Mikroplastik hat, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Allerdings muss eingeräumt werden, dass inzwischen über Nahrungsmittel so viel Mikroplastik in unseren Körper gelangt, dass etwas verschluckte Zahnpasta im Vergleich dazu eher gering anmutet.
Mikroplastik stellt heute ein allgegenwärtiges Umweltproblem dar. Es gelangt über die Abwässer und über die Luft in die Meere und wird durch die Meeresströmungen in die entlegensten Winkel dieser Welt getragen. So stellten Forscher des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven im Jahre 2015 die bis dato höchste gefundene Mikroplastikkonzentration in der Zentral-Arktis fest. In einem Liter Meerwasser fanden die Wissenschaftler bis zu 12 000 kleinster Plastikpartikel. Kleine Tiere, wie Muscheln oder Fische, nehmen den Kunststoff aus dem Meerwasser auf. Von hier aus landet er über die Nahrungskette in größeren Tieren. So wurde inzwischen in sämtlichen untersuchten Meeressäugern und Seevögeln Mikroplastik gefunden. Eine österreichische Studie aus dem Jahr 2018 konnte erstmals auch in menschlichen Stuhlproben Mikroplastik nachweisen.
Doch nicht nur durch den Verzehr von Meerestieren kommt Plastik in unseren Darm. Auch in vielen landwirtschaftlichen Produkten ist inzwischen Mikroplastik nachgewiesen worden, darunter in Milch und Honig. Ackerflächen dürfen in Deutschland noch mit Klärschlamm gedüngt werden, der auf diesem Wege Mikroplastik in großen Mengen in die Böden bringt. Auf Obst- und Gemüseflächen ist die Düngung mit Klärschlamm dagegen verboten. Gerade Mikroplastik aus Kosmetikprodukten landen über die Abwässer in den Kläranlagen. Microbeads, wie in Zahnpasta, werden unmittelbar bei ihrer Verwendung schon abgespült und gelangen so unter bewusster Inkaufnahme der Umweltfolgen direkt ins Abwasser. Zum Teil können sie hier über Filteranlagen abgefischt werden, da es sich um relativ großes Mikroplastik handelt. Diese heraus gefilterten Partikel sammeln sich so im Klärschlamm. Eine Ausbringung dieses Klärschlammes in die Natur ist unter diesem Aspekt nicht besonders geistreich und daher z.B. in der Schweiz seit dem Jahre 2006 ausnahmslos verboten. Kunststoffe, die kleiner als 0,5 Millimeter sind, wie auch der Flüssigkunststoff PEG, können praktisch nicht aus dem Abwasser entfernt werden und landen über kurz oder lang im Meer. Im Jahr 2017 veröffentlichte der IUCN (International Union for Conservation of Nature) eine Studie, die besagt, dass sich etwa 2% der gesamten Umweltbelastung durch Mikroplastik auf Kosmetikprodukte zurückführen lassen.
Inwiefern sich die Belastung durch Mikroplastik direkt auf die menschliche Gesundheit auswirkt ist noch unklar. In dem breiten Spektrum der Kunststoffe, die unter dem Begriff Mikroplastik vorkommen, sind einige toxische oder krebserregende Substanzen zu finden, aber eine allgemeingültige Aussage lässt sich nicht treffen. Auch solche Kunststoffe, die den Hormonhaushalt beeinflussen, sind bekannt. Die meisten allerdings scheinen grundsätzlich aber unreaktiv im menschlichen zu Körper sein. Aufgenommenes Mikroplastik wird offenbar zu einem Großteil einfach wieder ausgeschieden. Dennoch bleibt ein Risiko, das es zu klären gibt.
Untersuchungen aus dem Tierreich zeigen ein genaueres Bild. Bei Muscheln und Wattwürmern konnten durch Mikroplastik verursachte Entzündungen der Verdauungsorgane festgestellt werden, die dazu führen, dass die Tiere weniger fressen. Theoretischen Berechnungen zufolge könnte so etwa 25% weniger Sand im Wattenmeer umgewälzt werden. Die Folgen, die hieraus entstehen sind unklar. Bei Labornagern konnte nachgewiesen werden, dass mit der Nahrung oder der Atmung aufgenommenes Mikroplastik in die Blutbahn gelangt und im ganzen Körper verteilt wird. Dabei wurde es vor allen Dingen in der Leber angereichert, dem Organ, das das Blut reinigt. Dort konnte es ebenfalls Entzündungen auslösen.
Im Jahr 2018 brachten Wissenschaftler erstmals einen Zusammenhang zwischen mit Mikroplastik verunreinigten Böden und dem Artensterben in die Diskussion. Vor allen Dingen Regenwürmer könnten direkt durch das Mikroplastik betroffen sein. Einige Arten, die allesamt von großer Wichtigkeit für die Fruchtbarkeit von Böden sind, sind heute bereits vom aussterben bedroht. Die Folge ist eine ganze Kaskade von ökologischen Katastrophen. Schlechtere Böden führen zu weniger Wildkräutern, diese zu weniger Insekten, diese wiederum zu weniger Amphibien, Reptilien und Vögeln und so weiter. Sie kennen dieses Szenario aus vielen Berichten der letzten Jahre. Mikroplastik könnte bei diesem Prozess eine noch nicht geklärte Rolle spielen.
Der Kunststoffmüll ist also längst wieder bei uns angekommen und erstmal werden wir ihn nicht los. Die Folgen für Gesundheit und Umwelt sind noch unklar, aber die Existenz dieses Problems ist im Grunde für jeden sichtbar. Da steht es eigentlich außer Frage, dass wir Kunststoffe weitestgehend reduzieren sollten.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kurz BUND, führt seit dem Jahr 2013 eine genaue Liste über sämtliche Kosmetikprodukte, in denen Mikroplastik enthalten ist. Diese sogenannte „Einkaufsliste“ stellt er jedem kostenlos online zur Verfügung. Auch dadurch, wie auch durch Forschungsergebnisse, geriet Mikroplastik in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Der Druck auf die Hersteller wuchs. Bereits im Jahr 2014 gaben sie in einer freiwilligen Selbstverpflichtung bekannt, auch ohne eine gesetzliche Auflage, die Verwendung von Mikroplastik in ihren Produkten zu minimieren. Schon im selben Jahr verschwanden sämtliche Zahncremes von der Liste des BUND. Sie waren frei von Mikroplastik. Seit September 2017 ist allerdings wieder eine Zahncreme auf der Liste zu finden. Hier wird der Kunststoff Acrylates Copolymer (AC) verwendet.
Außerdem wurden nach dem Verzicht auf Microbeads vermehrt Flüssigkunststoffe eingesetzt, die, wie bereits beschrieben, nicht zur streng gefassten Mikroplastik-Gruppe gehören. Hierbei handelt es sich um Polyethylenglycol (PEG). Produkte, die PEG enthalten, sind daher nicht auf der Liste des BUND vermerkt. Beide Kunststoffe (AC und PEG) müssen in der Auflistung der Inhaltsstoffe auf der Verpackung der Zahnpasta angegeben sein.
Trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung der Unternehmen sind Kunststoffe noch nicht vollständig aus Zahncremes verschwunden. Zur Sicherstellung ist also ein Blick auf die Inhaltsstoffe stets ratsam. Im Allgemeinen können Kunststoffe an der Silbe „poly“ erkannt werden, die irgendwo im Namen der Substanz vorkommt. Zurzeit werden allerdings nur die zwei genannten in Zahncremes verwendet.
Es gibt sehr unterschiedliche Schleifmittel, die in Zahncremes verwendet werden. Bevor die, heute eher unbeliebten, Microbeads eingeführt wurden, wurden teils sehr aggressive Substanzen, wie Titandioxid (Titanium Dioxide) oder Aluminiumoxid (Alumina) verwendet. Heute findet man diese Substanzen nur noch selten. Meist werden sie solchen Produkten beigefügt, die einen besonders „weißmachenden“ Effekt besitzen sollen. Sie wirken dabei reizend auf das Zahnfleisch und sollten von Menschen mit schmerzempfindlichen Zähnen grundsätzlich gemieden werden. Sanfter zu den Zähnen sind Kieselsäure oder Kreide, die ebenfalls in herkömmlichen Zahncremes zu finden sind. Die scheuende Wirkung der verwendeten Schleifmittel kann also für den Zahn zu hoch sein und den Zahnschmelz nachhaltig schädigen. Daher ist besonders hier ein sanftes Schleifmittel gefragt. Weiche Kunststoffkügelchen galten zunächst als gute Lösung.
Einen Aufschluss über die Schleifwirkung einer Zahncreme gibt der sogenannte RDA-Wert. Je höher dieser Wert ist, desto stärker wird der Zahn geschliffen. Er ist allerdings nicht immer auf der Tube abgedruckt. Bei empfindlichen Zähnen und besonders bei freiliegenden Zahnhälsen sollte eine Zahnpasta verwendet werden, die einen RDA-Wert von unter 50 aufweist. Die erwähnten Produkte mit whitening-Effekt weisen meist Werte von über 100 auf.
Einige natürliche Rohstoffe können ebenfalls als Schleifmittel verwendet werden und sind oft in Naturzahnpasta anzutreffen. Beispiele hierfür sind Salz, Aprikosenkerne, Maismehl, Bimsstein, Kieselerde, Kaffeemahlgut oder Walnussschalen. Ihre großindustrielle Verwendung ist jedoch meist zu kostenintensiv für die Unternehmen, weshalb diese Substanzen keinen Einzug und den breiten Markt finden.
Forscher der Universität Bath stellten allerdings schon im Jahr 2017 eine neue Möglichkeit vor, Microbeads aus Zellulose herzustellen. Sie haben einen ähnlichen Härtegrad, wie die verwendeten Kunststoffpartikel, sind aber vollständig biologisch abbaubar. Außerdem bieten sie eine kostengünstige Alternative für die Großindustrie. Eine großangelegte Produktion oder Verwendung steht allerdings noch aus und ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht genau abzusehen.