Haben Sie sich überhaupt gewundert, warum Shampoos und Conditioner manchmal aufhören, für Ihr Haar zu arbeiten, und warum die Produkte, die Ihnen früher das Gefühl gaben, frisch aus dem Salon zu kommen, Ihr Haar jetzt schlaff und leblos aussehen lassen?
Chemisch betrachtet sind Silikone sogenannte künstliche Polymere, das bedeutet, dass es sich um sehr große Moleküle handelt, die sich in ihrer Struktur regelmäßig wiederholen. Dabei bilden sie ein anorganisches Netz aus Silicium- und Sauerstoffatomen, welches von einer organischen Kohlenstoff-Wasserstoff-Gruppe abgeschlossen wird. Dadurch stellen sie eine besondere Mischung aus organischen und anorganischen Verbindungen dar, die ihnen unter den Kunststoffen eine einzigartige Stellung einräumen. Im Gegensatz zu Plastik, das aus Erdöl gewonnen wird, werden Silikone aus staubfein gemahlenem Silicium und Methylchlorid hergestellt.
In unserem Alltag finden wir Silikone in den unterschiedlichsten Formen und Funktionen. Als feste Materialien, in Backformen oder Schnuller, oder in eher harziger Konsistenz als Dichtmittel für Feuchträume. Auch in flüssiger Form sind Silikone, oft unbemerkt, sehr gegenwärtig. So spielen sie in dieser Form eine besondere Rolle in der Kosmetikindustrie und wurden lange Zeit erfolgreich als Inhaltsstoff von Shampoos verwendet. Doch das gute Image der Wunderwaffe gegen sprödes Haar ist längst nicht mehr ungetrübt.
Die großen netzartigen Silikonmoleküle legen sich um jedes einzelne Haar und bilden so einen künstlichen Film, der mehrere positive Eigenschaften bringt. In erster Linie wird jedes Haar sichtbar geglättet. Haare besitzen natürlicherweise keine glatte Struktur. Ihre Oberfläche besteht aus unzähligen kleinen Schuppen, die, je nach Strapazierung, mal mehr und mal weniger brüchig sind und abstehen oder kleine Vertiefungen im Haar bilden. Dadurch lassen sie das Haar stumpf erscheinen. Wenn die Oberflächen aller Haare nun durch einen Silikonmantel geglättet sind, reflektieren sie das Licht deutlich besser. Dadurch erhalten die Haare einen seidigen Glanz und die Farbe leuchtet intensiver. Silikon ist außerdem sehr hitzebeständig. Sollte das Haar großer Hitze ausgesetzt sein, sei es durch Sonne, Fön oder Glätteisen, schützt der Silikonmantel das Innere des Haares vor Austrocknung. Ein weiterer Effekt der Glättung ist eine deutlich bessere Kämmbarkeit der Haare.
Dabei gilt, je öfter ein Silikonshampoo verwendet wird, desto dicker wird die Silikonschicht um das einzelne Haar. Bis zu einem gewissen Grad steigert dieser sogenannte Build-up Effekt die positiven Wirkungen des Silikons auf das Haar. Irgendwann kippt sie aber. Das Haar wird unter der Last der dicken Ummantelung schwerer, wirkt dadurch kraftlos und kann schließlich leichter brechen.
Silikon wurde erstmals zu Beginn der 90er Jahre in Haarpflegeprodukten verwendet. Damals gab es immer noch den stark verbreiteten Trend der Dauerwellen, die das Haar allerdings spröde und stumpf werden lies. Die silikonhaltigen Shampoos wurden sehr gut von den Kunden angenommen, da nur wenige Anwendungen ausreichten, ihre Haare deutlich gesünder aussehen zu lassen. Dieser Erfolg beflügelte die Hersteller zum fast standardmäßigen Zusatz von Silikonen in Shampoos, Spülungen und Haarkuren in den folgenden Jahren.
Direkt schädlich sind Silikone nicht. Jedenfalls gibt es zu der Annahme derzeit keinen gesicherten Anlass. Die Datenlage ist allerdings auch sehr dünn. Indirekt können Silikone aber nachweislich sehr viel Schaden anrichten. Der glanzbringende Silikonmantel birgt einen großen Nachteil für das Haar: Er versiegelt es. Die Versiegelung soll das Haar vor äußeren Einflüssen schützen, allerdings tut sie das so nachhaltig, dass auch die Aufnahme von Feuchtigkeit oder verschiedenen Pflegestoffen nicht mehr ungestört ablaufen kann. Unter dem Mantel wird das Haar also nicht wirklich gepflegt, sondern nur oberflächlich hübsch gehalten. Innen bleibt es weiterhin trocken und brüchig, was sich durch die ausbleibende Versorgung von Außen mit der Zeit sogar eher verschlechtert. Hinzu kommt der schon erwähnte Buil-up Effekt, bei dem durch immer neuere Schichten um das Haar der Silikonmantel stetig wächst und die Versiegelung dadurch weiter zunimmt.
Auch auf der Kopfhaut können durch regelmäßige Anwendung Silikonablagerungen zurückbleiben. Wie auf dem Haar bewirken Silikone auch hier eine nachhaltige Versiegelung. Dadurch wird z.B. die Absonderung von Schweiß aus den Hautporen gestört. Dies kann zu unangenehmen Hautirritationen, wie Juckreiz, Schuppenbildung oder erhöhte Pickelbildung führen. Bei einer übermäßigen Verwendung kann es sogar dazu kommen, dass sich das Silikon selbst in kleinen Schuppen von der Kopfhaut löst.
Silikone sind schwer abbaubar und können teilweise noch nach Jahrzehnten in Rückständen nachgewiesen werden. Das Umweltbundesamt veröffentlichte hierzu im Jahre 2007 einen Bericht, der zusammenfassend feststellt, dass Silikone zwar nicht nachweislich schädlich für die Umwelt sind, aber deren Verwendung dennoch reduziert werden sollte. Dies begründeten sie mit der Tatsache, dass Silikone nur sehr langsam abgebaut werden und sich dadurch schon heute vermehrt in der Umwelt angereichert haben.
Das österreichische Bundesumweltamt beschrieb im Jahr 2018 eine deutliche Erhöhung der in Kläranlagen nachgewiesenen Mengen der zyklischen Siloxane D4 und D5. Dabei handelt es sich um Bausteine von Silikonprodukten. Auch in diesem Bericht wird von keiner umwelt- oder gesundheitsschädlicher Wirkung ausgegangen. Das Problem stellt eher die unnatürliche Anhäufung dieser Substanzen dar. Diese Feststellung führte zu dem Beschluss, die Verwendung von D4 und D5 in Shampoos und ähnlichen Produkten ab dem Jahr 2020 EU-weit zu beschränken.
Zusammen mit dem Abwasser gelangen auch Silikone aus dem Shampoo in die Umwelt. Da sie dort offensichtlich nicht in dem Maße abgebaut werden können, wie sie sich ansammeln, ist es naheliegend, dass auch bei nicht nachgewiesenen schädlichen Wirkungen, diese Substanzen dort eigentlich nichts zu suchen haben.
Die negativen Eigenschaften der Silikone auf Haar, Haut und Umwelt führen somit zu der logischen Konsequenz, besser auf silikonhaltige Shampoos zu verzichten.
Silikone müssen im Kleingedruckten bei den Inhaltsstoffen aufgelistet sein. Typische erkennbare Endungen für Silikone sind -cone oder –xane. Die verwendeten Silikone lassen sich in zwei Gruppen einordnen, wasserlösliche und wasserunlösliche. Letztere lassen sich naturgemäß deutlich schwerer wieder aus dem Haar auswaschen. Die häufigsten verwendeten Silikone sind:
Wasserlösliche Silikone: Cyclomethicone, Cyclopentasiloxane, Lauryl Methicone Copolyol, Dimethicone Copolyo, Polysiloxane, Dimethicone copolyol/HWP, Hydroxypropyl
Wasserunlösliche Silikone sind: Dimethicone, Cetearyl Methicone, Cyclomethicone, Cyclopentasiloxane, Dimethiconol, Stearyl Dimethicone, Trimethylsilylamodimethicone, Cetyl Dimethicone
Neben dem Studium des Kleingedruckten, sind silkononfreie Shampoos auch ganz einfach an dem gezielten Vermerk „silikonfrei“ auf der Vorderseite zu erkennen. Ein vermehrt kritischer Umgang mit Silikonen in Pflegeprodukten führte zu dieser Kennzeichnung. Auch kann davon ausgegangen werden, dass Bio- und Naturkosmetikprodukte grundsätzlich frei von Silikonen sind, da hier prinzipiell keine künstlichen Zusatzstoffe verwendet werden.
Im Mai 2019 veröffentlichte Öko-Test die Ergebnisse einer umfangreichen Untersuchung silikonfreier Shampoos. Insgesamt wurden 40 Produkte verglichen, 14 von ihnen waren als Naturkosmetik zertifiziert. Alle Shampoos wurden im Labor genau auf ihre Inhaltsstoffe untersucht und es wurde bewertet, ob andere bedenkliche Ingredienzien enthalten sind. Dabei stellte sich heraus, dass 21 Shampoos, also mehr als die Hälfte der untersuchten Proben, als empfehlenswert einzustufen waren. Von ihnen schnitten 14 mit der Note „sehr gut“ und 7 mit „gut“ ab, darunter vor allen Dingen die Naturkosmetika.
Aber auch schlechte Noten wurden vergeben. So vergab Öko-Test an 5 der getesteten Shampoos die Note „ungenügend“ und an 2 „mangelhaft“. Kritisiert wurde in den meisten Fällen die Verwendung von Kunststoffen. In 22 der untersuchten Proben wurden Polyethylenglykole oder chemisch verwandte Stoffe (PEG) nachgewiesen. Außerdem fanden sich in 11 Produkten zusätzlich noch andere Kunststoffe, wie Carbomer und Polyquaterniumverbindungen, die eine ähnlich glanzbringende Wirkung auf das Haar haben wie Silikon. All diese Kunststoffe gelangen aber ebenfalls mit dem Abwasser in die Umwelt, wo sie sich langfristig ablagern und nur sehr langsam abgebaut werden können. Sie sind also in Bezug auf die Umweltbelastung nicht weniger bedenklich.
Die 5 Shampoos mit der Note „ungenügend“ enthielten außerdem das starke Allergen Methylchloroisothiazolinon oder Parabene, von denen vermutet wird, dass sie eine hormonähnliche Wirkung haben. Unterschiedliche bedenkliche Duftstoffe, wie z.B. Lilial, das im Tierversuch fortpflanzungsschädigend wirkte, wurden ebenfalls nachgewiesen. Ein Hersteller fügte seinem Produkt Ethylhexylmethoxycinnamat hinzu, ein uv-Filter, der in diesem Fall das Shampoo selbst vor Sonneneinstrahlung schützen sollte. Eine veränderte Verpackung hätte diesen Zweck allerdings ebenfalls erfüllt.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass als silikonfrei bezeichnete Shampoos, mit Ausnahme der Naturkosmetika, nicht grundsätzlich unbedenklich sind. Herkömmliche Shampoos verzichten demnach zwar teilweise auf Silikone, oftmals aber nicht auf andere bedenkliche Inhaltsstoffe, die vielleicht aktuell von Kunden nicht so streng betrachtet werden.
Bei der Verwendung von silikonfreiem Shampoo sollte nicht eine sofortige Veränderung erwartet werden. Es dauert mehrere Haarwäschen, bis der gebildete Silikonmantel um die Haare abgewaschen worden ist. Erst dann offenbart sich die die natürliche Haarstruktur und das Haar ist wieder offen, um Nähr- und Pflegestoffe aufnehmen zu können. Danach erst entfaltet sich der natürliche Glanz der Haare.
Wer ein silikonfreies Shampoo verwenden möchte, muss dabei gar nicht auf den guten Effekt des Silikons verzichtet werden. Es gibt sehr viele natürliche Inhaltsstoffe, die in ähnlicher Weise auf das Haar wirken und in keine eine Reduktion der Qualität darstellen. Im Folgenden sollen einige von ihnen genauer vorgestellt werden:
Weizenproteine
Weizenproteine stärken und glätten das Haar nachhaltig und geben ihm sein natürliches Volumen. Diese Wirkung entfaltet sich dadurch, dass sich die Proteine um das Haar anlagern. Durch diesen seidigen Effekt ist auch die Kämmbarkeit deutlich verbessert. Außerdem schützen die Weizenproteine in gewissem Maße vor uv-Strahlung und Hitze. Auch durch diesen schützenden Effekt, kann Feuchtigkeit besser im Haar gehalten werden. Die Haare sind dadurch insgesamt deutlich weniger trocken und brüchig. Da Weizenproteine auf natürlichem Wege aus Weizenkörnern gewonnen werden, ist sowohl die Herstellung als auch die spätere Entsorgung über das Abwasser ökologisch unbedenklich.
Inulin aus der Chicoréewurzel
Bei Inulin handelt es sich um ein Gemisch aus Mehrfachzuckern, das von Pflanzen als Energiereserve eingelagert wird und bei Bedarf wieder dem Stoffwechsel zugeführt werden kann. In der Nahrungsindustrie ist Inulin weit verbreitet. In diesem Bezug handelt es sich um einen präbiotischen Nahrungszusatzstoff, der zwar selbst nicht verdaut wird, aber die Darmflora positiv beeinflusst. Auch in der Naturkosmetik ist Inulin verbreitet. Hier wirkt es glättend auf Haut und Haar und schützt beides vor Austrocknung.
Erbsenprotein
Ein Gemisch aus Erbsen-Extrakt und Erbsen-Petid wirkt sich sehr positiv auf die Feuchtigkeit von Haaren aus. Die Moleküle binden an oberflächlichen Unebenheiten der einzelnen Haare und verschließen so die geschädigte Stelle. Dadurch glätten sie das Haar und bewirken eine gute Kämmbarkeit und einen seidigen Glanz. Auch hier wirkt die angelagerte Schicht nicht versiegelnd, sondern lässt das Haar offen für Nähr- und Pflegestoffe.
Brokkolisamenöl
Das Öl der Brokkolisamen wird kalt gepresst, um die wertvollen Inhaltsstoffe nicht zu schädigen. Diese sind neben Vitaminen unterschiedliche ungesättigte Fettsäuren, wie Ölsäure oder Linolsäure. Das Besondere an Brokkolisamenöl ist aber sein hoher Gehalt an Erucasäure und Eicosensäure, das es als Nahrungsmittel ausscheiden lässt. Diese beiden Säuren halten das Gemisch oxidativ stabil, so dass es eine lange Haltbarkeit vorweisen kann. Die Erucasäure besitzt außerdem eine weichmachende und schmierende Eigenschaft. Dadurch verleiht es, auf das Haar angewendet, einen geschmeidigen Glanz und eine sehr gute Kämmbarkeit. Außerdem spendetet es Feuchtigkeit. Brokkolisamenöl wirkt insgesamt nicht fettend und bringt neben dem Glanz für die Haare auch eine Versorgung der Kopfhaut mit Nährstoffen mit sich.
Neben diesen ausführlich beschriebenen natürlichen Alternativen, gibt es noch viele weitere, z.B. Schwarzer Haferextrakt, Zuckerrübenextrakte, Arganöl, Guarmehl, Kokosglucosid und PCA Glyceryl Oleate. Sie alle wirken glättend auf das Haar, verbessern die Kämmbarkeit und fördern den Glanz, ohne die negativen Auswirkungen auf Haar, Haut und Umwelt, wie sie Silikone vorweisen. Durch diese breite Palette an Substanzen, stellen natürliche Produkte weitaus mehr als nur eine einfache Alternative zu künstlichen Silikonen dar.