Laut einer Definition der _National Oceanic and Atmospheric Administration_ bezeichnet der Begriff Mikroplastik alle Kunststoffteilchen, die im Durchmesser kleiner als 5 Millimeter und nicht in Wasser löslich sind. Diese Definition hat auch das deutsche Umweltamt übernommen. Faktisch sind die meisten Mikroplastikteilchen erheblich kleiner. Oft sind sie nur wenige Mikrometer groß und gerade noch mit dem bloßen Auge zu erkennen. Manchmal hilft aber auch nur ein Mikroskop.
Mikroplastik kann grundsätzlich auf zwei sehr unterschiedlichen Wegen entstehen. Zum einen entsteht es durch Zerfall von Kunstoffen, zum anderen wird es gezielt produziert, um als Rohstoff in unterschiedlichen Produkten verwendet zu werden. Die daraus resultierende Anreicherung von Mikroplastik in der Umwelt stellt ein erhebliches Problem dar, dennoch wird es vielen alltäglichen Produkten immer noch beigefügt. Shampoo ist nur eines davon. Doch warum wird es dort überhaupt verwendet, wie können Sie es erkennen und wie vielleicht sogar vermeiden?
In Pflegeprodukten wird Mikroplastik meistens aufgrund seines Peeling-Effektes verwendet. Durch die raue und körnige Konsistenz kann die Haut beim Waschen so noch gründlicher gereinigt werden. In Shampoo auftretendes Mikroplastik ist dagegen meist sehr fein und nicht mit den Händen fühlbar. Oftmals handelt es sich um geleeartige oder sogenannte flüssige Kunststoffe. Ob es sich bei Flüssigkunststoffen ebenfalls um Mikroplastik handelt, wird oft diskutiert. Die oben genannte Definition schließt die Löslichkeit als Kriterium für Mikroplastik aus. Unter anderem Greenpeace bemängelt diese Einschränkung scharf und tritt dafür ein, auch flüssige Kunststoffe dem Oberbegriff „Mikroplastik“ zuzuordnen.
Die flüssigen Kunststoffe haben im Shampoo weniger einen reinigenden Effekt auf die Kopfhaut, sondern legen sich vielmehr als Film um das einzelne Haar. Haare sind natürlicherweise nicht ganz glatt. Ihre unebene Oberfläche entsteht durch mikroskopisch kleine Vertiefungen oder hervorstehende Schuppen, die in der Summe dafür sorgen, dass das Licht nicht gut reflektiert wird. Dadurch wirkt das Haar optisch stumpf und matt. Die Mikroplastikpartikel legen sich bei der Haarwäsche durch ihre positive Ladung um das negativ geladene Haar und bilden so einen anhaftenden Plastikfilm. Somit wirkt das Haar optisch geglättet. Dadurch reflektiert das Licht besser und die Haare bekommen einen seidigen Glanz. Auch die Kämmbarkeit ist durch den glatten Plastikfilm verbessert.
Mikroplastik wird aber auch eingesetzt, um die Konsistenz eines Produktes zu verändern. So kann sein Effekt auch lediglich darauf beruhen, dass sich das Shampoo besser verteilen und einmassieren lässt, ohne dabei speziell auf das Haar zu wirken.
Der Kunststoffüberzug auf den Haaren gaukelt ein gesundes Haar vor. Die Wirksamkeit des Mikroplastiks entfaltet sich nicht wirklich auf eine gesunde Haarstruktur, sondern beschränkt sich auf eine optische Täuschung. Das Haar glänzt und wirkt gesund, ohne es wirklich zu sein. Mit jeder weiteren Haarwäsche legt sich eine weitere Schicht aus flüssigem Kunststoff um das Haar. Dieser sogenannte Built-up-Effekt sorgt dafür, dass das Haar immer schwerer wird und letztlich unter dem Gewicht brechen kann. Außerdem verhindert die Kunststoffschicht eine Aufnahme von Feuchtigkeit oder Nährstoffen in das Haar, da sie versiegelnd wirkt. Unter der glänzenden Hülle kann das Haar dadurch sogar austrocknen und so noch brüchiger werden.
Plastik stellt mit Sicherheit eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit dar. Die Weltmeere sind überfüllt mit Plastikmüll, der nur sehr langsam, oder auch gar nicht, natürlich abgebaut wird. Vielmehr zerfällt dieser Müll mit der Zeit durch Reibung und Einwirkung von uv-Strahlung in kleinste Mikroplastikfragmente. Diese bilden gemeinsam mit dem industriell hergestellten Mikroplastik, das letztlich über die Abwasser ebenfalls in den Meeren landet, eine gewaltige Menge kleinster Kunststoffteilchen, die inzwischen auf der ganzen Erde in Gewässern nachgewiesen werden konnten.
Doch nicht nur in Gewässern wurde Mikroplastik nachgewiesen. Die kleinen Kunststoffpartikel konnten in allen bisher untersuchten Meerestieren gefunden werden. Dazu gehörten unter anderem Muscheln, Fische, Meeressäuger und Robben. Das Plastik gerät über das Meerwasser in die Nahrungskette und somit letztlich nicht nur auf unsere Teller, sondern auch in unseren Darm. Österreichische Forscher konnten im Jahre 2018 erstmals Mikroplastik in menschlichen Stuhlproben nachweisen. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass Mikroplastik überall in unserer Umwelt zu finden ist, jüngst wurde es sogar in Regen nachgewiesen. Diese Entdeckung belegt die Vermutung, das kleinste Mikroplastikteilchen auch in der Luft vorliegen. Hier werden sie nicht nur durch Winde noch weiter verbreitet, sondern gelangen außerdem in unsere Atemorgane. Medizinische Folgen lassen sich nicht verallgemeinern, da aus chemischer Sicht Mikroplastik sehr unterschiedlich ist und keine typische Reaktion im Menschen auslöst. Dennoch liegt es auf der Hand, dass eine derartige Verbreitung insgesamt im höchsten Maße besorgniserregend ist. Dieser menschliche Fußabdruck auf unserem Planeten gibt Forschern den Anlass, das jetzige Erdzeitalter Anthropozän zu nennen. Das Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf biologische, geologische und atmosphärische Prozesse auf der Erde geworden ist. In diesem Zusammenhang ist das keine besonders erstrebenswerte Errungenschaft.
Laut einer Studie der IUCN (International Union for Conservation of Nature) aus dem Jahr 2017, lassen sich etwa 2% der gesamten Umweltbelastung durch Mirkoplastik auf Kosmetikprodukte zurückführen. Diese landen über unsere Abwässer schließlich in den Kläranlagen. Kleine Plastikpartikel ab einer Größe von unter einem halben Millimeter lassen sich allerdings bis heute faktisch nicht aus dem Abwasser heraus filtrieren. Seit Anfang des Jahres 2019 läuft daher das Projekt SimConDrill. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss aus Forschung und Industrie, der, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Entwicklung eines speziellen Filters vorantreiben soll. Dieser Filter soll bis zu 10 Mikrometer kleine Kunststoffpartikel aus dem Abwasser filtern können. Doch hier ist frühestens im Jahr 2021 mit ersten Prototypen zu rechnen. Eine Befreiung der Abwässer von Mikroplastik ist also noch Zukunftsmusik. Und auch in dieser Zukunft muss man sich dann noch fragen, „wohin mit dem abgefischten Plastik?“.
Zusätzlich ist die reine Anhäufung von Mikroplastik in der Umwelt gar nicht das einzige Problem. Einige Kunststoffe stellen auch ein gesundheitliches Risiko für die belebte Umwelt dar. Zu den unzähligen Substanzen, die unter der Sammelbezeichnung Mikroplastik vereint werden, gehören stark toxische Stoffe, krebserzeugende Substanzen, oder solche, die eine endokrine Wirkung entfalten, also auf den Hormonhaushalt wirken.
Ein Beispiel aus der Welt der Shampoos, um auf das Thema zurück zu kommen, ist Polyquaternium. Dieser Kunststoff bildet den beschriebenen Film auf Haut und Haaren und ist daher ein beliebter Zusatzstoff in der Kosmetikindustrie. Allerdings enthält dieser Kunststoff, wenn auch nur in kleinen Teilen, Acrylamid, das stark krebserregend ist. Diese Wirkung entfaltet dieser Kunststoff potentiell nicht nur beim Anwender, sondern auch in der Umwelt, wo er sich zunehmend anreichert.
Um sicherzustellen, dass ein konventionelles Shampoo frei von Mikroplastik ist, ist eine genaue Betrachtung der Inhaltsstoffe ratsam. Die Anzahl an unterschiedlichen Kunststoffen, die auch in Shampoos verwendet werden, ist sehr groß und ständig kommen neue hinzu. Daher ist es fast unmöglich eine komplette Auflistung aller verwendeten Substanzen zu erstellen. Einen guten Hinweis finden Sie aber immer über den Wortteil „poly“, der irgendwo im Namen vorkommen kann. Damit allein sind aber längst nicht alle Kunststoffe abgedeckt. Die gängigsten sollen nun genannt werden:
Acrylates Copolymer (AC), Acrylates Crosspolymer (ACS), Nylon-6, Nylon-12, Polyamide (PA), Polyacrylate (PAK), Polyethylen (PE), Polyethylene glycol (PEG), Polyethylenterephthalat (PET), Polymethylmethacrylat (PMMA), Polypropylen (PP), Polypropylene glycol (PPG), Polystyren (PS), Polytetrafluorethylen (PTFE), Polyurethan (PUR), Polyquaternium (PQ)
Hilfestellung beim Auffinden mikroplastikfreier Shampoos bieten inzwischen unterschiedliche Apps ( z.B. CodeCheck oder ToxFox), Einkaufslisten (z.B. vom BUND) oder auch spezielle „mikroplastik-frei“-Siegel, wie zuletzt von der Drogeriekette Rossmann eingeführt wurde. Generell gilt aber natürlich, dass Naturkosmetikprodukte grundsätzlich frei von künstlichen Inhaltsstoffen, also auch von Mikroplastik, sind.
Bisher wurde, trotz der unumstrittenen Umweltbelastung, die Verwendung von Mikroplastik in Kosmetikprodukten nicht untersagt. In einer freiwilligen Selbstverpflichtung haben sich im Jahr 2014 die Unternehmer aber dafür ausgesprochen, auch ohne eine gesetzliche Auflage, die Verwendung von Mikroplastik in ihren Produkten zu minimieren. Das gesetzte Ziel war ein kompletter Verzicht auf Mikroplastik bis zum Jahr 2020. In der Tat hat sich in der Folge die Verwendung von Mikroplastik in Kosmetikprodukten teils stark reduziert. Allerdings wird heute eine vermehrte Verwendung von Flüssigkunststoffen festgestellt, die nach einigen Kriterien kein Mikroplastik darstellen, was, wie bereits angemerkt, stark umstritten ist. Solange die genaue Definition nicht geklärt ist, werden derartige Schlupflöcher immer wieder genutzt werden.
Nur weil ein Shampoo kein Mikroplastik enthält, heißt das nicht, dass keine anderen bedenklichen Inhaltsstoffe enthalten sein können. In der Vergangenheit haben Hersteller häufig die Abwesenheit eines bedenklichen Inhaltsstoffes angepriesen, nur um ihn durch einen anderen zu ersetzten, der im Zweifel noch bedenklicher ist, aber aktuell nicht im Fokus der öffentlichen Diskussion steht. Die Krux der konventionellen Kosmetikindustrie ist immer der niedrige Preis und die damit einhergehenden möglichst geringen Produktionskosten. Das führt dazu, dass Mikroplastik durch Silikone ersetzt wird, oder andersherum. Größere Plastikpartikel werden durch kleinere ersetzt. Teilweise so klein, dass sie als gelöste Flüssigkeit gelten und nicht mehr unter die eingangs erklärte strengere Definition von Mikroplastik fallen, obwohl es sich im Grunde immer noch um nicht-abbaubaren Kunststoff handelt. Wer wirklich ganz sicher sein möchte, ein unbedenkliches Produkt zu verwenden, dem bleibt im Grunde nur der Griff zu Naturkosmetik bzw. zu Produkten mit Öko- oder Bio-Siegeln.
Ähnlich wie Silikone wird auch Mikroplastik in Shampoos hauptsächlich dazu verwendet, das Haar optisch zu glätten und es dadurch glänzend und kämmbar zu machen. Die industrielle Herstellung synthetischer Substanzen ist in der Regel erheblich günstiger, als die Verwendung natürlicher Produkte. Deren Gewinnung ist oft mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Daher wurde in der Vergangenheit in der konventionellen Kosmetikindustrie aus Kostengründen nur selten auf natürliche Alternativen zu Mikroplastik zurück gegriffen. Dennoch gibt es sie und als Folge der immer lauter werdenden Debatte um künstliche Inhaltsstoffe werden sie auch zunehmend häufig verwendet.
Unterschiedliche Pflanzenproteine, wie Inulin oder Weizenproteine, legen sich in ähnlicher Weise, wie die synthetischen Inhaltsstoffe, um das Haar und erzielen so einen glättenden und Glanz bringenden Effekt. Dabei stellen diese Proteine keine Umweltbelastung dar und sind obendrein gesünder für das Haar. Der Proteinfilm bildet im Gegensatz zum Plastikfilm keine isolierende Schicht, sondern ist durchlässig für Feuchtigkeit oder Pflegestoffe. Auch Brokkolisamenöl, schwarzer Haferextrakt, Zuckerrübenextrakte, Arganöl, Guarmehl und viele andere natürliche Substanzen wirken glättend auf das Haar. Somit verleihen auch sie dem Haar einen seidigen Glanz und ermöglichen eine leichte Kämmbarkeit.
Es gibt also reichlich Alternativen zu Mikroplastik in Shampoos. Letztlich bleibt von Seiten der Hersteller einzig das Argument der Wirtschaftlichkeit, um Mikroplastik in Shampoos zu rechtfertigen.